leachiM2k

Hm, heute morgen kam meine Mutter aus dem Schlafzimmer in einem sehr interessanten Gewand. Die Texturen ihres Mantels erinnerten mich an die Zeit des Internets bis 1999, in der Mann (Frauen waren im Netz meist nicht vertreten) ständig versuchte, die statischen uninteressanten Textseiten mit einem flippigen Blumenhintergrund zu verschönern, der förmlich danach schrie, dass er aus Kacheln besteht. Darunter litt zwar die Lesbarkeit enorm, aber es war von Weitem schöner anzusehen, als diese langweiligen weißen Seiten in Times Roman.
Nun saß ich heute beim Frühstück und dachte laut über das Web nach. Ich darf mich als Netzveteran fühlen, da ich seit 1997 meine Zeit nicht anders verbringe, als im Internet. In der heutigen Debatte um Web 2.0 wünscht man sich doch einen Rückblick auf früher.
So stellte sich mir die Frage, ob es heute tatsächlich Web 2.0 ist, oder schon gar Web 3.0?

Ach damals… Da gab es nur Schmalbandzugänge in Deutschland, so fehlten auf Seiten große Grafiken, wie sie heute fast unverzichtbar sind. Die McAffe-Seite hat mich damals fast zu einem Nervenzusammenbruch gebracht, als ich diese 175 KB mit meinem 33.6K Modem saugte. Die Zeit war damals kostbar; die Grundgebühr von 20 DM und die Telekomtelefonstunde von 1,80 DM in der Zeit ab 21 Uhr waren schon sehr günstig für die Zeit. Compuserve als größter Konkurrent von AOL berechnete 4,95$ für die Stunde. Als einzige, wirklich auffallende Schmuckelemente kamen animierte GIFs zum Einsatz. Diese hüpfenden Grafiken brachten bei Übersättigung einen fast zum Nervenzusammenbruch. Die Internetseite, die man besuchen wollte, musste man schon mit der kompletten richtigen Adresse kennen. Suchmaschinen wurden damals von Redaktionen gepflegt – die Zahl der Seiten war ja überschaubar und damals auch noch in irgendwelche Kategorien einordbar. Erst im September 1998 kamen zwei findige amerikanische Studenten auf einen Suchalgorithmus für einen Roboter. Die Eingangsseite war für die Schmalbandzugänge genial und blieb noch bis heute so, wie in den Gründerjahren. Die Rede ist von Google. Irgendwann 1999 berichtete die Internetfernsehsendung GIGA, welche damals auf NBC Europe fünf Stunden live aus dem Düsseldorfer Hafen gesendet wurde, über diese neuartige Suchmaschine, die angeblich viel besser sein sollte, als die damaligen Marktführer Yahoo und Lycos. Ich muss schmunzeln, wenn ich darüber nachdenke. Wenn wir damals gewusst hätten, was daraus mal wird… dann… hätten wir zwar nichts machen könnten, aber wir hätten es immerhin gewußt 😐

Die heute bekannten Kommunikations-, und Interaktionsmöglichkeiten waren noch gar nicht erfunden. Oder eher noch nicht ins Web portiert. Foren hießen damals BBS und trieben sich noch in Mailboxen rum, Chats wurden rege genutzt – im IRC und Emails musste man von seinem Provider über POP3 abrufen. GMX als erster sinnvoller Freemailanbieter wurde ja auch erst 1997 geboren. Hotmail.com gab es damals zwar schon, jedoch war die Geschwindigkeit beim Seitenaufbau aufgrund der schlechten Backboneanbindungen und zuvor erwähnten Modemzugängen extremst ungeeignet, um es richtig zu benutzen. Spam wurde damals als der größte Trend aus den Vereinigten Staaten gehandelt, denn in Deutschland kannte man es nicht. Dieses Geschäftsmodell schwappte erst mit dem Web 2000 und der zeitgleich entstehender Dotcom-Blase nach Deutschland. Leider.

Ich komme nun zu dem Entschluss, dass das Internet anno 1997 höchstens als Web 0.5 bezeichnet werden kann. Somit heiße ich das neue, dynamische Web 2.0 mit seinem Kaugummiwebdesign herzlich willkommen. Mal schauen, was als nächstes kommt…

Mit diesen Gedanken aß ich meine Leberwurststulle zu Ende, bedankte mich bei meiner Mutter für ihre Aufmerksamkeit bei meinem Vortrag und verließ das Haus Richtung Berufsschule, wo ich dann letztendlich diesen Eintrag schrieb.

Wenn der geneigte Leser bis hierhin gelesen hat, empfehle ich ihm eine wundervolle Seite des Web 0.5, die ich selbst im Jahre 1999 selbst kreierte. Und ja sie enthält alle ekeligen Elemente von damals. Also, nichts wie auf http://mitglied.lycos.de/VonAmTor