Nun habe ich mich nach einer Woche doch dazu hinreißen lassen, einen Bericht über meinen vergangenen Urlaub in Lettland zu schreiben. Da es etwas länger werden wird, setze ich gleich ein Break und Sie, lieber Leser, können dann entscheiden, ob Sie weiterlesen wollen oder nicht.
Um eines vorweg zu nehmen: Lettland ist das Land der Gegensätze schlechthin. Es gibt wahnsinnig viele Reiche und noch wahnsinniger mehr Arme. Eine Mittelschicht gibt es grundsätzlich nicht. So muss man sich daran gewöhnen, keine richtigen Kloschüssel unter dem Hintern zu haben und gleichzeitig Porsche Cayenne Turbo und Hammer 3 auf der Straße zu sehen.
Mit meiner Vergangenheit habe ich nach diesem Urlaub abgeschlossen. Außer Urlaub zu machen, wollte ich in Lettland auch aus einem anderen, heutigen Blickwinkel überprüfen, ob sich meine Kindheitserinnerung auf die Wirklichkeit anwenden lassen. Anders gesagt, wollte ich einfach sehen, ob sich meine Erinnerungen bestätigen.
Was soll ich sagen? Die ersten drei Tage stand ich unter Schock…
Das Thema Unterkunft war sehr schnell abgehakt, denn mein Vater hatte dort noch Bekannte, die ein eigenes Haus besitzen und uns in ihrem „Gästehaus“ wohnen ließen. Als ich nach einem äußerst holprigen Flug mit airBaltic ankam und mich nach einer 40-Minuten-Fahrt am Busbahnhof mit der Bekannten traf, konnte ich schon ein wenig von Riga sehen. Überall sind Stände und kleine Büdchen zu finden, wo alles verkauft wird. In Deutschland würde man das am ehesten Tante-Emma-Laden nennen. Es wird überall neu gebaut, alte Häuser werden aber so gelassen wie sie sind, weshalb sie meist in einem äußerst baufälligen Zustand sind. Ich habe mich vor der Reise schon sehr gut informiert und wusste, dass Lettland alles andere als reich ist, dass Menschen im Durchschnitt 300 Euro im Monat zum Leben haben, dass die Preise sehr gut an unsere im Westen rankommen. Mir ging einfach nicht in den Kopf, wie man so leben kann. Das würde ja vorne und hinten nicht reichen. Ich wollte in den nächsten Tagen herausfinden, wie es doch geht.
Ich fuhr mit der Bekannten dann zu ihr nach Hause in den südlichsten Teil Rigas. Es gibt einen Bus, der etwas näher zum Haus hält, fährt aber nur alle 1,5 h – am Wochenende sogar seltener. Wir fuhren also etwas 20 Minuten mit der Straßenbahn, die irgendwann nur einspurig fuhr und an einigen Haltestellen kurz zweispurig wurde, um auf die Bahn aus der Gegenrichtung zu fahren warten. Der Fahrkomfort war nicht der beste, es ruckelte und humpelte die ganze Zeit. Die Tickets kauft man in Riga übrigens direkt in der Bahn beim Schaffner für 0,20 Ls (30 Cent). Dieses gilt nur für die Fahrt in diesem Fahrzeug, unabhängig von der Dauer. Als wir ankamen, verfiel ich in einen Schock. Es waren ca. 10 Minuten Fussweg von der Straßenbahnstation zum Haus. Auf der Hälfte der Strecke hörte der Asphalt auf, Hunde begannen zu bellen, eine Dorfatmosphäre herrschte vor und mich grinsten unverputzte Einfamilienhäuser (mit mehreren Generationen drinne) an. Das Gästehaus entpuppte sich schnell als eine Garage mit integrierter Sauna (die einzige Waschmöglichkeit in dem Haus), die um eine zweite Etage mit Holz erweitert wurde. Die zweite Etage war früher mal eine Werkstatt, aber mitlerweile diente sie als Abstellenkammer mit Gästezimmerfunktion. Die Einrichtung bestand aus einer Couch, einem Tisch, einem Stuhl und ganz vielen Schränken. Das Haupthaus befindet sich seit dem Bau 1971 im ständigen Um- und Ausbau. Gerade wird dort eine zweite Etage eingerichtet, da der Sohn der Familie eine eigene Familie mit einer Frau und zwei Kindern gegründet hat, so dass eine Etage nicht mehr ausreichte. Nur so konnte man mir erklären, wieso sich die Toilette und die Garderobe in einem Zimmer befanden. Das Grundstück selbst war sehr groß für unsere Verhältnisse und bestand aus den eben erwähnten zwei Häusern und einem riesigen Garten, wo die Menschen alles mögliche an Kleingemüse und Kleinobst anbauten. Im Einzelnen konnten ich Eisbergsalat, Gurken, Gartengurken, Tomaten, Zuchinni, Paprika, verschiedenste Kräuter, Rhabarber, rote und weiße Trauben, rote und schwarze Johannis-, Him-, Brom- und Stachelbeeren entdecken. Dann war da noch ein Süßkirsch-, ein Kirsch-, ein Apfel- und ein Birnenbaum zu entdecken. Die weitere Fläche wurde durch ein kleines Holzgartenhäuschen, einem Komposthaufen, einer Wassertonne und viele unterschiedliche Zierpflanzen aufgefüllt. Dazu aber später mehr.
fortsetzung folgt…
„Wir fuhren also etwas 20 Minuten mit der Straßenbahn, die irgendwann nur einspurig fuhr und an einigen Haltestellen kurz zweispurig wurde, um auf die Bahn aus der Gegenrichtung zu fahren.“
Kamikaze-Bahnen sozusagen? ;-P
Schöner Bericht, bin auf die nächsten Teile gespannt. Auch wenn ich das meiste ja schon gehört habe…
Sehr schöner Teil 1 des Reiseberichts. Sehr detailliert…gefällt mir gut, abgesehn von den Verhältnissen in Riga.